Der Unitarismus als konfessionelle Bewegung ist bereits in der späten Reformationszeit entstanden. Anhand einzelner Eckpunkte soll hier seine geschichtliche und inhaltliche Entwicklung grob skizziert werden:
Unitarismus als Begriff
Der Begriff Unitarismus kommt aus dem Lateinischen (Unitas) und bedeutet Einheit. Der Begriff referiert auf die Ablehnung der Trinität (Dreieinigkeit). Unitarier verstehen die Trinität als kirchliches Dogma, das nicht in der Bibel verankert ist. Jesus wird entsprechend nicht als Teil Gottes, sondern als Mensch und Messias verstanden (vgl. Mk 10,18; 1. Kor 8,6).
Präexistenz Christi
Für viele Unitarier folgt aus der Ablehnung der Trinität auch die Ablehnung einer Präexistenz Christi. Jesus war ein Mensch und hat insofern nicht schon vor seinem menschlichen Leben existieren können.
Sohn Gottes
Als Söhne Gottes werden in den biblischen Schriften Jesus Christus, das Volk Israel und einzelne Könige bezeichnet. Daneben findet sich auch der Ausdruck Kinder Gottes. Aus dem Umstand, dass Jesus als Sohn Gottes beschrieben wird, kann für Unitarier somit nicht gefolgert werden, dass Jesus selbst Teil Gottes wäre.
Gott im Zentrum
Jesus selbst predigte das Evangelium und die Botschaft vom Reich Gottes (vgl. Luk 4,43). Für Unitarier steht somit Gott im Zentrum ihres Glaubens. Sie sind in Ablehnung trinitarischer Dogmen somit Vertreter eines deutlichen christlichen Monotheismus.
Abendmahl und Taufe
Das Abendmahl wird symbolhaft verstanden. Es findet also keine Umwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi statt (wie es die katholische Kirche versteht). Das Abendmahl ist stattdessen eine Erinnerungsfeier und soll den Gemeinschaftscharakter betonen.
Die Taufe kann an Kindern wie auch an Erwachsenen vollzogen werden. Der frühe Unitarismus war noch stark von der Täuferbewegung beeinflusst, so dass viele die Kindertaufe als biblisch nicht begründbar abgelehnt haben. Auch unter nordamerikanischen Unitariern gab es Gemeinden, die die Taufe von Kindern ablehnten.
Wir als Christliche Unitarier sehen in der Taufe in erster Linie ein Bekenntnis zu Gott in Jesu Nachfolge, machen dies aber nicht an festen Altersgrenzen fest. Sollte keine Kindertaufe gewünscht sein, können Kinder stattdessen vor der Gemeinde gesegnet werden (vgl. Lk 18,15-17; Mk 10,13-16). Sowohl Taufe als auch Abendmahl sind äußere Symbole (Zeremonien). Entscheidend ist der innere Glaube.
Himmel und Hölle
Wie viele Unitarier lehnen auch wir starre Vorstellungen von Himmel und Hölle (zum Beispiel als Ort ewiger Qualen) ab. Auch die Vorstellung des Teufels (als realer Gegenspieler Gottes) kann diskutiert werden. Für viele Unitarier ist der Teufel in dem Sinne eher eine mythische Personifikation des Bösen als eine reale Figur.
Leben nach dem Tod
Das Leben nach dem Tod ist theologisch ein vielfältig diskutiertes Thema. Besteht es im Hinübergehen in das Reich Gottes, oder bricht dieses schon im jetzigen Leben an? Eine definitive Aussage kann es nach unserer Meinung nicht geben und bleibt der individuellen Sinnsuche überlassen.
Erbsünde
Im Unitarismus wird die Vorstellung einer Erbsünde aller Menschen in der Regel abgelehnt. Die Erbsünde ist nicht vereinbar mit Gottes Liebe und Gerechtigkeit. Dies bedeutet im Umkehrschluss aber nicht, dass die Menschen ohne Sünde wären (vgl. 1 Joh 1,8).
Freier Wille
Nach unitarischem Verständnis der biblischen Schriten haben die Menschen einen freien Willen (vgl. Gal 5,13).
Ethik
Ethisches Handeln ist ein zentraler Bestandteil unitarischen Selbstverständnisses (vgl. Mk 12,29-31). Wir sollen Gott und unsere Nächsten lieben wie uns selbst. Dies ist letztendlich Berufung aller Christen. Im frühen Unitarismus fanden sich zum Teil auch täuferisch-pazifistische Ansätze.
Vernunft
Der Unitarismus nimmt für sich in Anspruch den Glauben (auch) über die Vernunft zu verstehen (und nicht über Traditionen, kirchliche Beschlüsse oder Dogmen). Kennzeichnend für die frühen Unitarier war zum Beispiel eine rationalistische Bibelexegese (Bibelauslegung). Glaube, Gefühl und Vernunft sollen sich nicht ausschließen.
Gleichheit
Gott schaut den Menschen ins Herz (vgl. Apg 15,8). Vor ihm sind letztlich alle Menschen gleich (vgl. Eph 6,9 und Kol 3,25). Insofern soll es keinen trennenden Unterschied in Hinblick auf zum Beispiel die soziale oder ethnische Herkunft, das Geschlecht oder ein Handicap geben.
Feiertage
Wie andere Christen begehen auch Unitarier Feiertage wie Ostern und Himmelfahrt. Hinsichtlich des Weihnachtsfestes zeigt sich aber ein differenziertes Bild. So lehnten die nordamerikanischen Unitarier noch bis etwa 1830 das Feiern von Weihnachten als unbiblisch ab. Auf der anderen Seite waren es auch Unitarier, die im 19. Jahrhundert das puritanische Weihnachtsverbot durchbrachen. So verbreitete zum Beispiel der deutsch-amerikanische Unitarier Charles Follen im 19. Jahrhundert den Brauch des Weihnachtsbaums in Neuengland.
Insofern steht es jedem offen, Weihnachten zu feiern oder nicht. Es sollte aber bewusst sein, dass die biblischen Schriften selbst keine Aussage zum Geburtsdatum Jesu machen und Weihnachten als ein zuvor nicht-christliches Fest adaptiert wurde (die frühen Christen kannten Weihnachten als christliches Fest nicht).
Gottesdienst (auch Feierstunde genannt) wird in der Regel am Sonntag gefeiert. Ebenso möglich sind aber auch Gottesdienste am Samstag (Sabbat) oder anderen Wochentagen. Unter den frühen Unitariern in Siebenbürgen entwickelte sich ab Ende des 16. Jahrhunderts die Gruppe der Sabbatarier, die den Sabbat (anstelle des Sonntags) feierte. Auch die nordamerikanischen Unitarier des 19. Jh. haben Gottesdienste (auch) am Sabbat gefeiert.
Gebet
Wie für andere Christen ist auch für Unitarier das Beten ein zentraler Bestandteil der eigenen Glaubenspraxis. Bekannt ist insbesondere das Vater Unser, das auf Jesus selbst zurückgehen soll (und mit dem jüdischen Kaddisch-Gebet verwandt ist).
In der Geschichte des Unitarismus hat sich aber ein Dissens entwickelt, inwieweit auch Jesus als Sohn Gottes angerufen werden könne. Die unitarischen Nonadorantisten vertraten die Position, dass Jesus seine Jünger aufrief zu Gott, nicht jedoch zu ihm selbst zu beten (vgl. Mt. 6,9).
Mission
Wie andere Christen wollen auch Unitarier anderen Menschen von Jesus Christus erzählen und für ihren Glauben werben (vgl. Mt. 28,19–20).
Sozinianismus
Der Sozinianismus bezeichnet eine Ausprägung des (polnisch-litauischen) Unitarismus, die auf die beiden Theologen Lelio und Fausto Sozzini zurückgeht. Der Sozinianismus betont die Verbindung von Glaube, Vernunft und Toleranz und hatte im 16. und 17. Jahrhundert großen Einfluss auf das Denken europäischer und nordamerikanischer Humanisten. Merkmale sind unter anderem die Verwerfung der Dreieinigkeit und eine rationalistische Bibelexegese. Über den Sozinianismus verbreitete sich die unitarische Idee unter anderem nach England und Nordamerika.
Universalismus
Der Universalismus ist nicht klassischer Bestandteil unitarischer Theologie, sondern etablierte sich im 18. Jahrhundert in Nordamerika als eigenständige protestantische Konfession. Universalisten glauben, dass kein Mensch von Gott aufgegeben wird (vgl. 1. Kor. 15,22). 1961 schlossen sich die beiden großen unitarischen und universalistischen Kirchen in den USA zusammen und treten seitdem als Unitarier-Universalisten (UU) auf. Einher mit dem Einigungsprozess beider Kirchen ging eine Öffnung für nicht-christliche Glaubenskonzepte.
Universalismus kann im weiteren Sinne auch einen philosophischen Ansatz umschreiben, der die Gesamtheit anstelle des Einzelnen betont. Im kirchlichen Kontext meint er jedoch die Allaussöhnung Gottes mit den Menschen (Apokatastasis).
Arianismus
Der Arianismus war eine Bewegung innerhalb der spätantiken Kirche, nach der Jesus als nicht wesensgleich mit Gott verstanden wurde. In Hinblick auf die Ablehnung der Trinität kann der Arianismus als ein Vorläufer des späteren Unitarismus angesehen werden.
Unitarismus und Christentum
Der Unitarismus ist eine christlich-protestantische Konfession, die auf die Reformationszeit zurückgeht. Wesentlich sind die Ablehnung kirchlicher Dogmen wie der Trinität und das Eintreten für Vernunft, Toleranz und ethisches Handeln. Theologische Basis sind die biblischen Schriften und insbesondere die Evangelien.
Ab dem späten 19. Jahrhundert haben sich jedoch einige unitarische Gemeinschaften (unter Einfluss des Transzendentalismus) für andere religiöse und philosophische Konzepte geöffnet und sich so im Laufe des 20. Jh. von ihrem christlichen Fundament gelöst. Zum Teil wurde der Begriff Unitarismus auch neu definiert (zum Beispiel als Einheit der Natur oder allen Seins). Anknüpfungspunkte an den klassischen Unitarismus verlieren sich dabei zunehmend.
Demgegenüber stehen jene unitarische Gemeinden und Kirchengemeinschaften, die am (gründungsstiftenden) christlichen Antitrinitarismus festhalten und sich weiter bewusst als reformatorisch-unitarisch verstehen.
Unitarier im deutschen Sprachraum
Bereits in der Reformationszeit gab es unitarische Ansätze, die sich leider in Hinblick auf die staatliche Repression der Zeit nicht entfalten konnten. Allein im preußischen Raum konnten sich Gemeinden der unitarischen Kirche Polen-Litauens (Polnische Brüder) entwickeln - so in Danzig oder Andreaswalde. Frühe deutsche Unitarier waren beispielsweise Johann Sylvanus oder Daniel Zwicker. Auch Teile der Täuferbewegung waren antitrinitarisch ausgerichtet. Später gab es auch an anderen Orten immer wieder Bemühungen unitarische Gemeindestrukturen aufzubauen - so im 18. Jh. in Ostfriesland unter Johann Joachim Röling oder im 19. Jh. in Wien unter Karl August Forstner. Für kurze Zeit bestanden im 17. Jh. Unitariergemeinden in Friedrichstadt und Mannheim. Im frühen 17. Jh. bestand zudem an der Universtität Altdorf ein Kreis unitarischer Intellektueller, dem u. a. Ernst Soner, Martin Ruar und Johann Krell angehörten.
Seit dem 20. Jh. beanspruchen Teile der freireligiösen Bewegung den Namen Unitarier für sich - obschon sie sich selbst als nichtchristlich verstehen. Um Unitarier im deutschen Sprachraum miteinander zu vernetzten, haben sich 2018 schließlich die Christlichen Unitarier zusammengefunden.
Unitarier und die Ökumene
Die (christlichen) Unitarier fühlen sich mit anderen Christen verbunden, können aber zum Beispiel nicht dem Ökumenischen Rat der Kirchen beitreten, da dieser ausschließlich trinitarische Kirchen aufnimmt.
Radikale Reformation
Als Radikale Reformation werden die kleineren (nonkonformistischen) reformatorischen Bewegungen bezeichnet, die sich neben der lutherischen und reformierten Kirche entwickelten. Darunter fallen unter anderem Thomas Müntzer, die Täufer und die Antitrinitarier (Unitarier). Viele radikale Reformatoren wollten die Reformation weiterführen und forderten mit Bezug auf die Bibel gesellschafts- und sozialpolitische Reformen, die Trennung von Staat und Kirche, die Aufgabe der Kindertaufe oder kirchlicher Dogmen wie die Trinität. Für viele von ihnen blieb die von Luther mit dem Schriftprinzip Sola Scriptura (≈allein durch die Schrift) angestoßene Reformation unvollendet. Von staatlicher und kirchlicher Seite wurde die Radikale Reformation massiv verfolgt. Bekanntes Beispiel ist der antitrinitarische Theologe und Arzt Michael Servet, der auf Calvins Initiative hin 1553 in Genf verbrannt wurde.
Bekenntnisschriften
Im Laufe der Zeit sind mehrere unitarische Bekenntnisschriften entstanden. Besonders verbreitet war der Rakauer Katechismus von 1605. Andere Beispiele sind die Katechismen des ungarischen Unitariers József Ferencz und des amerikanischen Unitariers Minot Judson Savage aus dem 19. Jahrhundert. Bindend für den Einzelnen sind diese Bekenntnisschriften indes nicht. Sie sind allein eine theologische Übereinkunft zu einer bestimmten Zeit (sie haben also einen anderen Charakter als zum Beispiel das Augsburger Bekenntnis für die lutherische Kirche). Auch heutige unitarische Kirchen formulieren gemeinsame Standpunkte.
Symbole
Wie in anderen Kirchen hat sich auch im unitarischen Bereich eine besondere Formsprache entwickelt. Eine besondere Verbreitung fand ab dem 20. Jh. der Flammenkelch, der 1941 vom österreichischen Künstler Hans Deutsch enworfen wurde, u. a. an das Abendmahl anknüpft und vor allem von Unitarier-Universalisten verwendet wird. Bereits im 16. Jh. entstand im ungarisch-siebenbürgischen Raum die Abbildung eines Ouroboros (Selbstverzehrers), der sich um eine weiße Taube windet. Das Bild wurde vermutlich nach Beginn der ersten Verfolgungen der Unitarier in Osteuropa verbreitet, die Formsprache selbst reicht in die Antike zurück. Sie symbolisiert den Kreislauf der Zeit und das ewige Leben. Die Taube auf dem grünen Hügel erinnert an die biblische Erzählung der Arche Noah. Mit dem Bildnis wird zudem auf Mt. 10,16 Bezug genommen, wo es heißt: Siehe, ich sende Euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben.